Die Steinkiste aus dem Wandrahmpark in Lüneburg

Museum – drinnen & draußen, Teil 7

Bevor es mit einer erklärenden Tafel versehen wurde, wurde nicht selten bereits an der Museumskasse die Frage gestellt, ob es sich bei dem steinernen Denkmal im Lüneburger Wandrahmpark um ein Steingrab ähnlich denen aus der Oldendorfer Totenstatt oder im Schieringer Forst bei Bleckede handele.

Trotz eindeutiger Parallelen zu diesen zwischen fünf- und sechstausend Jahre alten Monumenten der Steinzeit ist das Exemplar aus dem Wandrahmpark nicht zu ihnen zu rechnen – obwohl es einer an Steingräbern sehr reichen Region entstammt – allerdings befindet es sich nicht mehr an seinem ursprünglichen Standort.

Die Steinkiste im Wandrahmpark
Die Steinkiste an ihrem heutigen Standort im Lüneburger Wandrahmpark vor dem Museum (Foto: Museum Lüneburg)

Dieser liegt im Nordosten des heutigen Landkreises Uelzen in der Gemarkung des Ortes Molbath unweit von Rosche. Dort verzeichnet die bereits im Jahre 1846 veröffentlichte “Archäologische Charte” des Freiherrn Georg Otto Carl von Estorff eine ganze Reihe von vorzeitlichen Denkmälern, in erster Linie Stein- und Hügelgräber.

Eines der dortigen Steingräber wurde schon 1864 zerstört, aus einem weiteren sind einige wenige Scherben eines Gefäßes und ein Steinbeil überliefert. Das heute vor dem Museum Lüneburg aufgestellte Grab stammt jedoch aus einem der insgesamt drei Grabhügel aus Molbath. Der damalige Archäologe des Lüneburger Museums, Michael Martin Lienau, schrieb 1911: „Als das Museum gerufen wurde, war der Hügel bereits zur Hälfte abgetragen und die Kammer selbst leider entleert. … 2 m südlich von der Mitte der Grabkammersüdwand wurde eine von Nord nach Süd orientierte Bestattung (mit spurlos vergangenem Skelett) konstatiert …. Diese Bestattungen, … gehören jedenfalls ganz an das Ende der Steinzeit, wodurch ein Rückschluß auf die Zeit der Errichtung der Steinkammer ermöglicht wird.“

Archäologische Funde waren also – den Fundberichten nach zu urteilen – Mangelware. Diese Aussage gilt auch für die beiden benachbarten Grabhügel, die Lienau seinerzeit ebenfalls untersuchte. Dennoch waren die wenigen Keramikscherben aus Molbath immerhin so aussagekräftig, dass sie ein wenig über ihre Erbauerzeit verrieten. Demnach gehört das Grab in die Zeit des Überganges von der Stein- zur frühen Bronzezeit vor über viertausend Jahren. Weitere Gräber dieser Art sind aus dem Uelzener und Amelinghausener Bereich bekannt geworden.

In ihre Erbauerzeit fallen eine ganze Reihe von Umbrüchen. So hatten sich zu der einheimischen Bauernbevölkerung schon seit geraumer Zeit Hirten hinzugesellt; ein Vorgang, der jedoch keineswegs in jedem Fall konfliktbeladen gewesen sein muss. So ist bei Ausgrabungen in einem Steingrab der Oldendorfer Totenstatt bei Amelinghausen eine Grabkammer freigelegt worden, in der die Angehörigen mehrerer Kulturen nacheinander ihre Verstorbenen bestattet und dabei stets Rücksicht auf ihre Vorgänger genommen hatten, deren Überreste sie stets pietätvoll behandelten und in ihrem Grab beließen.

Außerdem erreichten die Region später über die Elbe zunehmend Einflüsse aus dem mitteldeutschen Raum, wo man bereits Metall verarbeitete. Es handelt sich dabei um Bronze, eine Legierung aus neun Teilen Kupfer und einem Teil Zinn.

So mag denn der Bau der Steinkiste als ein Rückgriff auf die vergangene Monumentalität der nach ihren großen Steingräbern als Megalithkultur bezeichneten Zeit verstanden werden, der in jener Epoche westeuropäischen Einflüssen folgte.

Die Steinkiste aus Molbath im Innenhof des Museums auf einer Aufnahme aus den Zwanzigerjahren (Foto: Museum Lüneburg)

Bemerkenswert ist außerdem der Weg, auf dem die Steinkiste zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus dem Kreis Uelzen nach Lüneburg gelangte. Die Steine wurden nämlich nicht mit – der damals noch recht jungen – Motorkraft bewegt, sondern stattdessen mit Pferd und Wagen, genauer: Mit einem Rollwagen. Im Hannoverschen Courier vom 17. Juni 1911 hieß es dazu: „Wie man hört, ist das Steingrab in diesen Tagen abgebrochen und nach Lüneburg geschafft worden. Dort soll es auf dem Museumshofe neben einem Grabe aus dem Bronzezeitalter aufgestellt werden.“ Ihren endgültigen Platz im Wandrahmpark fand sie erst nach dem Krieg.

(Dietmar Gehrke)

Dietmar Gehrke ist Kurator für ur- und frühgeschichtliche Archäologie und Kreisarchäologe.

Serie „Museum – drinnen & draußen”,  Teil 8
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