August Wellenkamp und der Beginn des Industriezeitalters in Lüneburg
Zwischen 1830 und 1860 hat der Kunstmaler Nikolaus Peters (1795–1875) Mitglieder der gehobenen Lüneburger Gesellschaft ins Bild gesetzt. Es sind zumeist typische Porträts des Biedermeier. Die Brustbilder der Kaufleute und Ärzte, Beamte und Theologen wirken in ihrem „Sonntagsstaat“ mit steifen Stehkragen so, als wären sie gerade vom Kirchgang zurückgekehrt.
Das Porträt von August Wellenkamp (1807–1887) fällt ein wenig aus dem Rahmen. Er ist als Halbfigur mit ganzem Oberkörper dargestellt und gibt allein dadurch etwas mehr von sich preis. Die Kleidung mit grauer Jacke und weinroter Weste ist betont modisch; an den Fingern sind ein Siegel- und ein Goldring zu erkennen; die linke Hand hält eine brennende Zigarre; der rechte Arm lehnt lässig auf einer Balustrade mit Widderköpfen. Die Details spiegeln das Selbstverständnis einer durchsetzungsstarken Persönlichkeit wider, die es zu etwas gebracht hat.
Der Sohn eines Osnabrücker Kaufmanns war zunächst als Architekt in Staatsdiensten nach Lüneburg gekommen. Die alte Salzstadt stand zu Beginn der 1840-er Jahre noch ganz am Anfang des Industrialisierungsschubs, der fast alle Bereiche des Lebens grundlegend verändern sollte. Den Schritt ins private Unternehmertum wagte Wellenkamp, als sein Vetter Julius Meese 1843 in Lüneburg mit dem Aufbau eines Eisenwerks begann. Der Architekt stieg als Kompagnon ein, führte das Unternehmen bald jedoch allein weiter. Unter seiner Leitung entwickelte sich die Fabrik zum ersten industriellen Großunternehmen Lüneburgs neben der Saline. Das Werk profitierte enorm vom 1847 erreichten Anschluss der Stadt an das Eisenbahnnetz. Die Versorgung mit benötigten Rohstoffen (vor allem Kohle) verbesserte sich und sicherte gleichzeitig den Absatz der gefertigten Produkte (Eisen und Maschinen). Wie kaum jemand sonst in Lüneburg verkörperte August Wellenkamp um 1850 das Zeitalter der Industrialisierung. Sogar Dampfmaschinen wurden in Wellenkamps Eisengießerei und Maschinenfabrik hergestellt.
Der Architekt, der als Fabrikant Furore gemacht hatte, zog sich bereits ab 1860 aus dem Betrieb des Eisenwerks zurück und wurde Hotelier. Das von ihm am Sande etablierte Hotel galt unter seinem Namen („Hotel Wellenkamp“) bis weit ins 20. Jahrhundert hinein als das beste Haus am Platz. Doch auch diesem Metier kehrte Wellenkamp nach einigen Jahren den Rücken zu. In der Haagestraße ließ er sich als Alterssitz eine Villa mit großem Garten bauen. Dort verbrachte er, umgeben von Kunstgegenständen und Altertümern, die er über Jahrzehnte gesammelt hatte, seine letzten Lebensjahre als Privatier.
(Ulfert Tschirner)
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