Der Turm von St. Johannis in stürmischen Zeiten

Stürmisch nahm der November des Jahres 1800 seinen Anfang, ein über die Stadt Lüneburg herziehendes Unwetter ließ die Juraten der St. Johannis-Kirche eiligst zusammenkommen. Am 9. November hatte ein machtvoller Sturm der Kirche einen „schweren Verlust“ zugefügt. Zutiefst betrübt meldeten die Juraten der städtischen Obrigkeit: „Es ist nemlich (…) der Knopf mit dem Wetterhahn und Kreutze sammt dem dazugehörigen Stiefel von der Spitze heruntergestürzt.“ Eine erste Kostenberechnung der Reparatur ergab für die Arbeit des Kupferschmiedes, der Zimmerers und Maurer eine Summe von rund 2200 Reichstalern.

Doch die Kirchengemeinde war verschuldet. Ein Blick in die Bücher der vergangenen zwanzig Jahre offenbarte ein defizitäres Desaster. Hilfesuchend wandte man sich an die Stadt und bat, die städtischen „Magnifici“ möchten „hochgefälligst einen Fond ausmitteln, aus welchem diese schwere Kosten bestritten werden können.“

Und so trat der Stadtrat bereits zwei Tage später zusammen, denn „Rath müsse geschaffet werden“. Man schnürte ein erstes Paket möglicher Maßnahmen, weitere Beratungen folgten über die Jahreswende hinweg. Doch die stürmischen Zeiten wollten kein Ende nehmen: Am 24. März 1801 befinden sich die Juraten „in der traurigen Nothwendigkeit, anzuzeigen“, dass kurz vor Weihnachten ein zweiter Sturm, am 15. März 1801 ein dritter abermals erhebliche Schäden an der Kirche verursacht hätten und sichtlich „traurigste Folgen“ zeitigten, die sich mittlerweile auf rund 3000 Reichstaler beziffern ließen. Im Zusammenwirken von Kirche, Stadt und königlicher Regierung sollte der „Nothstand“ bewältigt werden. Im Sommer 1801, „bey jetziger guter Jahreszeit“, wurde der neue Helmknopf samt der darin befindlichen Kassette mit Dokumenten, Büchern und einigen Münzen aus der Zeit von 1703-1801 wieder aufgesetzt. Ein „feyerliches Dankfest“ sollte wohl nicht begangen werden, so gänzlich ohne angemessenes Zeremoniell aber wollte man die stürmische Zeit auch nicht beenden. Und so konnte der Zimmergeselle Johann Heinrich Böckelmann am 28. August 1801 seine Standrede bei der „Aufsetzung des neuen Knopfes auf dem Thurm der St. Johannis-Kirche in Lüneburg“ einer ehrwürdigen Tradition folgend halten. Darin heißt es unter anderem:

„Doch, damit ich sage
was eigentlich zur Sache dient,
so wisse maenniglich: Der Wind
hat vorigs Jahr zu unsern Fuessen
den Knopf vom Thurm herabgeschmissen,
zum drittn Mahl seit hundert Jahren.
Drum bin ich heut‘ hinauf gefahren
und hab‘ ihn wieder aufgesetzt.
Der Himmel lass‘ ihn so, wie jetzt,
auf manche hundert Jahre stehen!“

Leider sollte dieser Wunsch nicht in Erfüllung gehen, denn im Oktober 1973 musste die Helmspitze erneut ausgewechselt werden. Der oberste Teil der alten Turmbekrönung wurde nun im Innenhof des Fürstentummuseums aufgestellt. Heute steht das mächtige, 4,65 m hohe Objekt in der Abteilung „gründen & bauen“ des Museum Lüneburg.

(Heike Düselder)

Zurück zur Übersicht Kulturgeschichtliche Objekte
Zurück zur Übersicht der Sammelgebiete