John Mollison – ein schottischer Offizier in Lüneburg

Im Jahr 2017 kamen auf dem Dachboden des Museums einige stark korrodierte Rüstungsteile zum Vorschein: eine Sturmhaube, Halskragen, Brust- und Rückenpanzer sowie Arm- und Beinschienen. Die Einzelteile ergaben offenbar einen Halbharnisch, die typische Rüstung eines Offiziers im 17. Jahrhundert. Aus Mitteln der Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüneburg konnte nun zunächst die Sturmhaube (Abb. 1) ausstellungsreif restauriert werden. An den übrigen Rüstungsteilen wurden Musterflächen freigelegt, um zu klären, ob es sich um einen zusammengehörigen Harnisch handelt.

Sturmhaube
Abb. 1   Sturmhaube, 17. Jh., geschwärzter Stahl (Foto: Vera Fendel)

Der Maßnahme lag die Vermutung zugrunde, dass der Harnisch zum Epitaph von John Mollison gehört. Dieser braunschweigisch-lüneburgische Oberst war 1676 in St. Michaelis beigesetzt und eine Gedenktafel mit seiner Rüstung an einem Kirchenpfeiler angebracht worden. Der Harnisch wurde 1792 aus der Kirche entfernt und ins Museum der Ritterakademie überführt, dem Vorläufer des heutigen Museums.

Epitaphien in St. Michaelis

Abb. 2   Epitaphien in St. Michaelis (oben: John Mollison, unten: Thomas Erskin). Detail eines Gemäldes von Joachim Burmester, um 1700  (Foto: Museum Lüneburg)

John Mollison (1620-1676) stammte aus Aberdeen, wo sein Vater Stadtsyndikus war. Als jüngerer Sohn schlug John eine militärische Laufbahn ein, die auf die Kriegsschauplätze Europas führte. 1655 trat er in die Dienste des Herzogs Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg und stieg als Oberst eines Infanterieregiments („Regiment Mollesson“) zu einem von dessen höchsten Offizieren auf. Nach Feldzügen gegen Türken, Schweden und Franzosen, fiel er 1676 bei der Belagerung von Stade.

Mollison war außerdem Kommandant der Garnison auf dem Kalkberg. In dieser Funktion war er mehrmals mit dem Magistrat in Konflikt geraten. Die Streitigkeiten hatten auch eine religiöse Komponente: Mollison gehörte als schottischer Puritaner dem reformierten Bekenntnis der Calvinisten an. 1673 ging eine Beschwerde beim Magistrat ein, dass der Oberst einen öffentlichen reformierten Gottesdienst abgehalten habe, bei dem „nach Calvinistischer Art gepredigt und communion gehalten“ worden sei. Dass Mollison seine letzte Ruhestätte trotzdem in der evangelisch-lutherischen Kirche von St. Michaelis finden konnte, ist auf Herzog Georg Wilhelm zurückzuführen. Er setzte sich persönlich für seinen Offizier ein und forderte nachdrücklich, ein Begräbnis in St. Michaelis zu ermöglichen.

Die Untersuchung der Rüstungsteile hat ergeben, dass zwischen ihnen zumindest ein Werkstattzusammenhang anzunehmen ist. Zu einem tatsächlich getragenen Harnisch fügen sie sich aber nicht zusammen. So sind die Beinschienen im Verhältnis zum Brust- und Rückenpanzer zu groß und lassen sich Helm, Visier und Halskragen nicht schlüssig miteinander verbinden. Der Befund passt zu Meldungen über John Mollisons Tod: angeblich wurde er bei Stade durch eine Kartätsche in drei Stücke zerrissen. Eine Erklärung wäre, dass schon 1676 für das Epitaph verschiedene Rüstungsteile aus Mollisons Besitz (oder zumindest von seinem Regiment) in Form eines Harnischs zusammengesetzt wurden.

(Ulfert Tschirner)

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