Tontrommel aus einem Steingrab der Jungsteinzeit aus der Oldendorfer Totenstatt: Musik auf der Reise ins Jenseits

Diese tönerne Trommel stammt aus einem sog. „Hünengrab" der jüngeren Steinzeit, ausgegraben in der sog. Oldendorfer Totenstatt. Durchgeführt wurde die Ausgrabung des Steingrabes durch Archäologen des Lüneburger Museums in den frühen Siebzigerjahren. Man fand diese Trommel innerhalb der Grabkammer eines der Steingräber, die vor weit über 5000 Jahren dort errichtet worden waren. Sie gestatten einen Blick auf das Bestattungsbrauchtum im Zusammenhang mit diesen monumentalen Grabbauten, die wir heute auch noch beispielsweise im Schieringer Forst bei Barskamp, unweit von Bleckede, bewundern können.

zierliche Tontrommel aus der Jungsteinzeit, unglasierter, gebrannter Ton, an der Wandung eine Reihe von Nuppeln zum Befestigen eines Trommelfells
Tontrommel aus einem Steingrab der Jungsteinzeit aus der Oldendorfer Totenstatt (Foto: Museum Lüneburg)

Ganz offensichtlich tritt uns in Gestalt der hier vorgestellten Tontrommel ein Gegenstand entgegen, dessen Bedeutung über die rein praktischen Dinge des Lebens hinaus reicht und somit in dieser Region einer der ersten sichtbaren Belege für ein Phänomen darstellt, welches man als sog. "neolithische Revolution" zu bezeichnen pflegt. Er zeigt uns, dass diese Steingräber aus der Blüte der Steinzeit hierzulande nicht nur reine Begräbnisstätten waren.

Leider lässt sich jedoch bis heute nicht präzise benennen, welche verschiedenen Funktionen diese Megalithgräber hatten.

Gerhard Körner, einer der Archäologen, die an der Ausgrabung der Oldendorfer Totenstatt beteiligt waren, entwarf das folgende, düstere Szenario einer Bestattungsfeier in einem solchen Steingrab: „Wir nehmen an, dass es sich [bei den dort Bestatteten] um Tote handelt, die nahezu gleichzeitig gestorben sind und dass es sich um eine auserwählte Begleitung des Toten handelt, die ihm ins Grab gefolgt ist, Dienerschaft, vielleicht aus Frauen und Männern bestehend. Die geräumige Stube, als die man die Kammer [des Grabes] ansehen muß, ist der Aufenthalt für den Toten und seine Leibdiener geworden. Nachdem der Eingang von innen verschlossen war, erhellten Fackeln das herrschende Dunkel. Und während draußen die Zurückgebliebenen den Eingang mit Erde zuschaufelten, wurde in der Kammer mit Gesängen und Liedern vom Klange der Fingertrommeln oder in ihre Höhlung gesungener Melodien begleitet, die gemeinsame Reise in das Jenseits angetreten, bis ein berauschender Gifttrank auch die Begleitung für immer einschlafen ließ."

Diese Interpretation eines Ausgrabungsbefundes ist in jener Weise heute nicht mehr aufrecht zu erhalten; zu vielschichtig ist das Bild dieser Epoche angesichts neuerer Grabungsergebnisse geworden. Mittlerweile wissen wir, dass Steingräber in einigen Regionen als sog. Beinhäuser, als Aufbewahrungsort für die Knochen zahlreicher Verstorbener also, verwendet wurden, andere wiederum werden nach wie vor als Familien- oder gar Kollektivgräber gedeutet.

Auch ist bekannt, dass viele dieser Gräber nicht in einem Zuge errichtet und ihre Grabkammern oft mehrmals mit Bestattungen belegt wurden.

Die Tontrommel hingegen, soviel ist sicher, ist seither nicht mehr aus den Inventaren steinzeitlicher Gräber wegzudenken; dieses fragile Gefäß hat auch die Zeit der wuchtigen Megalithgräber überlebt.

(Dietmar Gehrke)

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