Gläserne Milchpumpen
„Dann sol die Mutter erstlich die grob Milch wolauß den Brüsten saugen lassen.“
Bei Ausgrabungen auf einem Grundstück nahe der St. Johanniskirche wurde ein grünes Glas mit beutelförmigem Gefäßkörper, trichterförmigem Rand mit verstärkter Lippe, konkavem Boden und einem Rohr, das seitlich an die Wandung angesetzt ist, ausgegraben. Die Spitze des Saugrohrs ist abgebrochen. Es handelt sich um eine Milchpumpe, die eingesetzt wird, wenn nach der Geburt eines Kindes ein normales Stillen nicht möglich ist.
Den Gebrauch der Milchpumpe schildert Walther Hermann Ryff in seinem 1569 herausgegebenen „Schwangerer Frawen Rosengarten: Von vilfeltigen sorglichen Zufällen und Gebrechen der Mütter und Kinder, so jhnen vor, inn u. nach der Geburt begegnen mögen“. Es ist das erste bedeutende Handbuch zur Geburtshilfe. Im Nachlassverzeichnis der Lüneburger Patrizierin Anna Clara von Dassel, 1655 verfasst, befand sich ein Exemplar des Rosengartens. Das Buch wurde durch zahlreiche Neuauflagen für lange Zeit zum Standardwerk für Hebammen. In der hiesigen Ratsbücherei findet sich eine 1572 in Frankfurt/Main erschienene Ausgabe. Dort steht unter anderem: „Dann sol die Mutter erstlich die grob Milch wolauß den Brüsten saugen lassen, oder mit solchem Instrument selber saugen, wie es hie verzeychnet stehet“.
In Lüneburg wurden Hebammen, die vom Rat der Stadt einen jährlichen Lohn erhielten, auch Bademume genannt, wie auf dem Grabstein der 1608 verstorbenen Dorothea Dithmers zu lesen war: „Allhie ligt begraben die Erbare tugentsame fraw Dorotie Ditmars Bademime allhir“. Sie übte ihre Tätigkeit mit zwei weiteren städtischen Hebammen aus.
In einer 1364 verfassten Verordnung versuchte der Rat, die Besuche bei Wöchnerinnen einzuschränken. So war der Besuch in den ersten drei Wochen willkommen, danach sollte er aber eingeschränkt werden. Somit sorgte der Rat für die nötige Ruhe, die die Mutter zum Stillen des Neugeborenen brauchte – möglichst ohne Milchpumpe.
(Edgar Ring)
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