Aporophyla lueneburgensis – Ein Falter mit Geschichte

Anschauungsmodell zur Entwicklung von Hutpilzen
Der deutsche Name des Falters leitet sich von seiner an Heidekraut gebundenen Lebensweise und den dicht anliegenden, glänzenden Haarschuppen am Körper ab.
(Foto: Museumsstiftung Lüneburg)

Aporophyla lueneburgensis – hinter diesem schwungvollen Namen verbirgt sich ein eher unscheinbarer Falter, dessen deutscher Trivialname nicht weniger auf der Zunge wackelt: Graue Heidekraut-Glattrückeneule. Das Tierchen wird nur etwa 36–41 mm groß und lebt, wie der Name schon sagt, in ausgedehnten Heidegebieten, in denen auch Sandtrockenrasen, Dünenhänge und Ginsterhorste vorkommen.

An einem dort gefundenen Exemplar wurde es 1848 auch das erste Mal beschrieben, und zwar von einem in Augsburg lebenden Insektenforscher, Herrn Christian Friedrich Freyer. Doch wie kommt ein in Süddeutschland ansässiger Entomologe dazu, eine über Norddeutschland und Nordeuropa verbreitete Art „lueneburgensis“ zu nennen? Die Antwort finden wir in der Erstbeschreibung.

Dort heißt es: „Von Herrn Stadtschreiber Heyer benannt und mir gütigst mitgetheilt. […]“ Johann Franz Christian Heyer (1777–1864) war Stadtschreiber in Lüneburg und leidenschaftlicher Insektensammler. Obwohl er ein absoluter Fachmann auf diesem Gebiet gewesen sein muss und auch viele neue Arten entdeckte, hat er kein einziges Insekt selbst beschrieben und veröffentlicht, sondern nur Exemplare gesammelt und anderen führenden Entomologen seiner Zeit zur Bestimmung zugesandt. Und nur der Autor der veröffentlichten Erstbeschreibung geht auch als Autor dieses wissenschaftlichen Namens in die Wissenschaftsgeschichte ein. Immerhin erwähnt Johann Freyer aus Augsburg die Quelle seines Typusexemplars, Herrn Heyer, so dass wir heute die Namensgebung dieses Falters zurückverfolgen können.

FaltervitrineWeiter heißt es in der Erstbeschreibung: „Herr Heyer schrieb mir bei der Zusendung Folgendes. »Seit einigen Jahren sind die Raupen der Agr. Lüneburgensis, wohl mit aus dem Grunde nicht zu erhalten gewesen, weil die neue Eisenbahn durch die Haidestrecke, wo ich sie entdeckte, geführt wird. Die Raupen zeigen sich nur nach Sonnenuntergang, und gehen nur um diese Zeit aus ihrem Versteck hervor.« – Ich gebe nun die Beschreibung: […]“

Agr.“ steht für die Gattung Agrotis, zu der dieser Falter mittlerweile nicht mehr zugeordnet wird. Schon damals zeigt sich also die Anfälligkeit der Grauen Heidekraut-Glattrückeneule gegenüber der Zerstörung ihres Lebensraums, an den sie sehr spezielle und enge Anforderungen hat: Sie benötigt trockene, rohhumusarme Jungheiden bei gleichzeitig relativ hoher Luftfeuchtigkeit mit viel Besenheide, da dies die bevorzugte Futterpflanze der Raupen ist. Da ist es kein Wunder, dass die Art heute auf der Roten Liste Deutschlands in der Kategorie 1 (vom Aussterben bedroht) eingestuft ist.

(Christina Broesike)

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