Friesische Urne aus Bardowick

Museum – drinnen & draußen, Teil 

In den Sechzigerjahren wurde am Schwarzen Weg in Bardowick ein Brandgrab entdeckt, welches eine Urne enthielt, die aufgrund von Form und Verzierung als aus dem friesischen Bereich stammend gedeutet werden kann. Es handelt sich um einen recht kleinen, eiförmigen Topf mit schmalem, abgesetzten Rand und flachem Boden. Im Schulterbereich des Gefäßes befinden sich Verzierungen in Form von drei hängenden Dreiecken, die aus 26 bis 28 Stempeleindrücken von rechteckiger Form bestehen. Jeder dieser Stempeleindrücke setzt sich wiederum aus 16 kleinen quadratischen Eindrücken zusammen. In der Urne befanden sich der sog. Leichenbrand, die verbrannten Überreste des Toten also, und ein kleines Stückchen Bronzedraht. Die Urne datiert in das 7. bzw. frühe 8. Jahrhundert; in eine Zeit, in der auf den einheimischen Sachsenfriedhöfen wie Rullstorf und Oldendorf (Luhe) die Urnenbestattung längst zugunsten der ersten Körperbestattungen aufgegeben worden war – ganz offensichtlich also stammte der Verstorbene nicht von hier. Für die Geschichte Bardowicks als früher Handelsplatz an der Ilmenau ist dieser Fund sehr wichtig.

Friesische Urne mit Stempelverzierung
Die Urne im Museum Lüneburg in der Abteilung „gründen & bauen“ (Foto: Museum Lüneburg)

Dieser Grabfund inmitten des späteren Bardowicker Siedlungsareals zeigt, dass das frühe Bardowick im 8. Jahrhundert wohl noch aus diversen Einzelhöfen bestanden haben mag, bevor es sich zu einer geschlossenen Siedlung entwickelte. Historische Nachrichten aus dieser frühen Phase sind zudem sehr selten.

So wird zwar bereits im Jahre 780 von Massentaufen der „Bardengauer“ und vieler „Nordleute“ in Ohrum an der Oker berichtet. Doch erst nach dem Ende der ersten Phase der Sachsenkriege im Jahre 785 ist die Anwesenheit Karls des Großen selbst im Bardengau und in Bardowick selbst bezeugt. Möglicherweise errichtete er zu diesem Zeitpunkt des Krieges bereits erste befestigten Anlagen und Königshöfe; so fällt auch die Ersterwähnung Bardowicks, ebenfalls Standort eines solchen Königshofes, in dieses Jahr. Ein erneuter Aufenthalt Karls ist für 789 anzunehmen, da in diesem Jahr ein fränkischer Brückenschlag unweit des Höhbecks über die Elbe erfolgte. Auch die slawischen Obotriten werden erstmalig als Verbündete der Franken genannt, mit denen sich Karl in den folgenden Jahren noch mehrmals in verschiedenen Orten des Bardengaus traf. In diesem Zusammenhang steht auch die erneute Erwähnung Bardowicks und die Nennung eines Ortes namens Hliuni (= Lüneburg) im Jahre 795 in den fränkischen Reichsannalen. 805 taucht Bardowick gemeinsam mit einer ganzen Reihe von weiteren Orten als Grenzhandelsplatz mit den östlichen Slawengebieten auf.

Obwohl etwas älter, gehört auch der Fund der friesischen Urne in diesen Kontext, da der Fernhandel jener Zeit zu einem großen Teil in den Händen dieser Nordseeküstenbewohner lag. Ganz offensichtlich hatte einer von ihnen seinen Lebensweg hier schon längere Zeit vor den geschilderten Ereignissen in Bardowick vollendet. Seine Funktion als wichtiger Handelsort des Mittelalters erfüllte Bardowick auch nach dem Ende der fränkisch-slawischen Allianz im Jahre 817 noch eine geraume Zeit lang weiter. Es ist somit also auch davon auszugehen, dass entsprechende herrschaftliche Baulichkeiten vorhanden waren, deren Spuren bisher jedoch archäologisch nicht eindeutig lokalisiert werden konnten. Eine Ausnahme bildet eine möglicherweise zu einem der dortigen Adelssitze gehörende Mühle, deren 1934 geborgene Mühlsteine sich als Leihgabe des Museum Lüneburg im örtlichen Gildehaus befinden.

(Dietmar Gehrke)

Dietmar Gehrke ist Kurator für ur- und frühgeschichtliche Archäologie und Kreisarchäologe.

Serie „Museum – drinnen & draußen”,  Teil 12
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