Der Bisamapfel: Wohlgerüche gegen den Pesthauch

Pest und Cholera, Teil 1

Silberner Bisamapfel in der Vitrine
Bisamapfel, Goldschmiedearbeit des 16. Jahrhunderts (Foto: Museum Lüneburg)

Das Museum Lüneburg besitzt lebensgroße Porträts zweier Bürgermeister Töbing aus dem späten 16. Jahrhundert. Beide halten als Schmuck und Statussymbol eine kleine silberne Kugel in ihren Händen. Bei solchen Goldschmiedearbeiten handelt es sich um sogenannte Bisamäpfel. Auch ein Original aus der gleichen Zeit ist im Museum vorhanden. Auf der silbernen Wandung ist das Wappen der Familie Töbing eingraviert. Was hat es mit diesen Kugeln auf sich?

Als Bisam wurden im Mittelalter allgemein intensive Duftstoffe bezeichnet. Eingelegt in eine durchbrochen gearbeitete Hohlkugel kann der Duft entweichen und den Träger mit Wohlgerüchen umgeben. Der Bisamapfel gehört als Gegenstand somit in die Vorgeschichte des Parfüms. Nach dem damaligen Verständnis diente der Bisamapfel aber auch der Gesundheitsvorsorge. Man glaubte, dass sich Seuchen durch schlechte Gerüche (Miasmen) verbreiten. Der dem Bisamapfel entströmende Duft sollte einer Ansteckung durch den „Pesthauch“ vorbeugen. Auch wenn diese Maßnahme aus heutiger epidemiologischer Sicht sinnlos erscheint, spiegelt die Miasmentheorie doch durchaus das Erfahrungswissen früherer Zeiten, z. B. über Ansteckungen durch Atemluft und den Einfluss hygienischer Verhältnisse auf die Ausbreitung von Epidemien.

Bisamäpfel waren während der großen Pestwellen in Gebrauch, die Mitteleuropa seit 1347 („Schwarzer Tod“) immer wieder heimsuchten. Lüneburg etwa wurde zur Zeit der beiden Bürgermeister Töbing oft und im Jahr 1565/66 besonders heftig von der Pest getroffen.

(Dr. Ulfert Tschirner)

Serie „Pest und Cholera”, Teil 2
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