Rückgabe von Museums­objekten an die Erben des Lüne­burger Kauf­manns Hirsch Lengel

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Rückgabezeremonie
Nicole Ziemer, Vorsitzende des Museumsvereins, und die Erben von Hirsch Lengel (Foto: D. Hansen)

Am Samstag, den 20.05.2017, fand im Marcus-Heinemann-Saal des Museum Lüneburg eine besondere Veran­staltung statt: die Rückgabe von Museums­objekten an die Erben des Lüne­burger Kaufmanns Hirsch Lengel.

Die systema­tische Prove­nienz­forschung am Museum Lüneburg hat ergeben, dass der Museums­verein im April 1937 vom jüdischen „Produkten­händler” Hirsch Lengel in der Salzbrücker­straße 64 zwei Stücke Leinen­gewebe für neun Reichsmark ankaufte. Zu dieser Zeit war die Familie Lengel schon sehr stark unter Druck: Ihr Sohn Jakob wurde verhaftet und kurze Zeit später ins KZ Dachau gebracht, die Tochter Elisabeth bereitete ihre Auswanderung vor, und im Sommer 1937 wurde Hirsch Lengel endgültig verboten, sein Geschäft weiter zu führen.

Die beiden 1937 erworbenen Textilien waren noch Teil unserer Sammlung: zwei große Leinen­tüchter mit eingewebten biblischen Motiven, Leinen­damast des frühen 17. Jahrhun­derts aus Flandern oder den Nieder­landen. Neun Reichsmark sind dafür auch 1937 als ein Preis unter Marktwert anzusehen.

Nach den 2015 zurück­gegebenen Objekten der Familie Heinemann ist dies ein weiterer Fall von verfol­gungs­bedingtem Entzug von Kultur­gut in der NS-Zeit, bei dem im Sinne der Washing­toner Prinzi­pien von 1998 eine faire und gerechte Lösung mit den recht­mäßigen Erben anzustreben ist.

Hirsch Lengel und seine Frau Berta sowie vier ihrer sieben Kinder sind in verschiedene Konzen­trations- und Vernich­tungs­lager depor­tiert wurden, die sie nicht überlebten. Der jüngste Sohn Jakob Lengel, der über England in die USA auswandern konnte, besuchte in den 1980er Jahren – ermög­licht durch eine öffent­liche Spenden­aktion – noch einmal Lüneburg. Mit seinen Erben sowie anderen Nachfahren Hirsch Lengels in den USA und Kanada hat das Museum 2016 Kontakt aufgenommen.

Anlässlich einer Europa­reise kündigte nun Jakobs Sohn Michael Lengel relativ kurz­fristig einen Besuch in Lüneburg an. Die Familie hat sich für eine Resti­tution entschieden, möchte die Objekte aber bis auf Weiteres dem Museum als Leihgaben überlassen. In einer kleinen Zeremonie am 20. Mai gab deshalb der Museumsverein die Leinenstücke an die Erben zurück. Anschließend konnte das Museum sie dann als Leihgaben in Empfang nehmen. Das Museum Lüneburg und der Museums­verein sind sehr dankbar für diese großzügige Geste. Die Leinen­damast-Tücher werden zukünftig Teil der Ausstel­lung im Museum Lüneburg sein und die Geschichte der Familie Lengel erzählen.

Gewebe studieren
Nach der Rückgabe durch die Vorsitzende des Museums­vereins, Nicole Ziemer (2. v.r.), erläutert Prove­nienz­forscherin Anneke de Rudder (rechts) der aus den USA angereisten Familie Lengel die Geschichte der Tücher aus Leinen­damast (v.l.n.r. Michael, David, Rachel und Joan Lengel)
(Foto: A. Tamme)
Eingangsbuch
„2 Leinengewebe, gekauft von Lengel, Lüneburg, für 9 RM, angeblich aus Lüneburg stammend, mit figürlichem Muster”, lautet Eintrag Nr. 37 im Eingangsbuch des Lüneburger Museums für das Jahr 1937.  (Foto: A. Tamme)
Gewebe studieren
Die Nachfahren von Hirsch Lengel betrachten die stillen Zeugen der beklem­menden Geschichte von Großeltern und Urgroßeltern. (Foto: D. Hansen)

Rückgabeurkunde (Deutsch/Englisch)(279 KB)
online-Artikel, 20.05.2017, Deutsches Zentrum für Kulturgutverluste:
Restitution: Museum Lüneburg gibt zwei Museumsobjekte an Erben nach Hirsch Lengel zurück
online-Artikel, 23.05.2017, Lüneburger Landeszeitung, Museum Lüneburg als Raum für Annäherung
Fernsehbericht auf Hallo Niedersachsen  (leider nicht mehr online verfügbar)
Provenienzforschung am Museum Lüneburg

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